Norwegen – Juni 2015
von Christine Jung
Anfang 2015 wurde es langsam Zeit, unseren Urlaub für dieses Jahr zu planen. Da die Vogelfotografie ja immer eine große Rolle spielt, wählten wir ein Ziel, von dem wir uns einige Vogelarten erhofften, die uns im Portfolio der westpaläarktischen Arten noch fehlten, bzw. die wir auch gerne einmal im Prachtkleid sehen wollten (hierzu zählen u.a. Mornellregenpfeifer, Pfuhlschnepfe, Kampfläufer oder diverse Entenarten). Da wir einige Bilder kennen, die dort oben entstanden sind, dachten wir, dass das keine schlechte Idee sein kann, und auch im Buch „Vögel beobachten in Europa: Die besten Plätze vom Mittelmeer bis zum Nordkap“ ist dieses Gebiet aufgeführt. Die Rede ist von der norwegischen Varanger-Halbinsel.
Das Gebiet
Die Varanger-Halbinsel befindet sich im äußersten Nordosten Norwegens und gehört zur Provinz Finnmark. Die Provinz grenzt im Osten an Russland und im Süden an Finnland. Sie ist größer als Dänemark, hat aber deutlich weniger Einwohner (129/km2 gegen 1,5/km2). Die Finnmark wird aufgrund des arktischen Klimas und der tundraartigen Vegetation als relativ leicht zugänglicher Teil Sibiriens angesehen. Es lassen sich hier viele Arten beobachten, für die man sonst in den Norden Russlands fahren müsste. Doch auch Arten, die in skandinavischen Bergregionen leben, haben hier ihren Lebensraum oder sind zumindest zur Brutzeit anzutreffen. Zusätzlich gibt es große Seevogelkolonien, und zur entsprechenden Jahreszeit ist es ein wichtiges Durchzugs- und Rastgebiet für z.B. Gänse, Enten und Limikolen. Aus diesem Grund ist Finnmark die bekannteste Region Norwegens, was Vogelbeobachtung – und damit auch Vogelfotografie – anbelangt.
Wer zum Fotografieren in den hohen Norden fährt, wird sich vor allem auf die Varanger-Halbinsel konzentrieren und hier hauptsächlich auf der Küstenstraße nördlich entlang des Varanger-Fjords (von Varangerbotn bis Vardø) unterwegs sein. Der Fjord ist flächenmäßig der größte Norwegens: Er hat eine Länge von 118 km und an seiner Mündung sind es vom norwegischen Vardø bis zur russischen Seite 55 km. An der Küste gibt es zahlreiche Strände und Buchten, die, je nach Wasserstand, von Limikolen, Enten und Sägern als Rastplatz und/oder zur Nahrungsaufnahme genutzt werden. Diese Stellen sind besonders gut zu erreichen, wenn sie an Dörfer grenzen, denn dann führt eine Straße oft relativ nah ans Wasser. Hier lassen sich als arktische Vertreter unter anderem Prachteiderenten und Scheckenten finden.
Im südlichen Abschnitt des Fjordes ist es warm genug, dass dort auch Moorbirken wachsen können, z.B. bei Vestre Jakobselv, weshalb hier Arten wie Gimpel, Bergfink und (Polar-)Birkenzeisig zu finden sind. Je weiter man nach Norden kommt, desto rauer wird das Gelände. Im Landesinneren ist es von einer weitgehend baumfreien Tundra geprägt. Typische Arten der Tundra sind Schneeeule, Gerfalke oder Polarbirkenzeisig, wobei die Wahrscheinlichkeit, eine Schneeeule zu sehen, sehr gering ist. Ins Landesinnere führen ausschließlich Schotterpisten, die mal mehr, mal weniger schlecht zu befahren sind. Diese Pisten führen zu den Ferienhäusern der Norweger, die quer in der Landschaft verteilt sind. Auf der einen Seite ist das für Naturfotografen gut, denn so kommt man mit seinem „mobilen Tarnzelt“ kilometerweit in die Tundra, doch auf der anderen Seite wird die unberührte Natur immer weniger.
Vorbereitung und Anreise
Die Planung dieser Reise stellte unsere Geduld auf eine ziemliche Probe, da die bei weitem günstigste Mietwagenfirma werktags nur bis 16 Uhr und am Wochenende gar nicht aufhat und wir nun passende Flüge zu diesen Öffnungszeiten finden mussten. Am Ende buchten wir die Strecke Frankfurt – Oslo / Oslo – Frankfurt bei Lufthansa (in der Hoffnung, dass nicht gerade ein Streik in diesen Zeitraum fallen würde) und Oslo – Kirkenes / Kirkenes – Oslo bei SAS, mit jeweils einer Übernachtung in Oslo. Vom Zeitpunkt her wählten wir Anfang Juni, um der Schnakenplage zuvorzukommen. Außerdem ist dies die Zeit, in der bekanntermaßen die Kampfläufer balzen.
Die Reise rückte näher und so wurde täglich in die Wettervorhersage geschaut. Nachdem die Temperaturen nicht wirklich steigen wollten und auch die Windgeschwindigkeiten recht ordentlich waren, war ein Besuch im Outdoorladen unumgänglich, um noch ein paar Klamotten für die arktischen Temperaturen zu besorgen. (Welcher Verrückte kauft sich eigentlich eine Daunenjacke für den Sommerurlaub???) Kurz vor der Abreise begann nun der Kampf mit der Kofferwaage. Am Ende waren wir etwas über den erlaubten 23 kg und hofften das Beste. Mathias checkte am Lufthansa-Schalter ohne mich ein, denn ich musste ja unser „Handgepäck“ bewachen. Die Dame am Schalter hatte ein Einsehen und akzeptierte die 24 bzw. 25 kg unserer Taschen (bis 24 kg ist Toleranz, darüber muss man eigentlich Übergewicht zahlen). Sie wies Mathias noch darauf hin, dass er ja etwas ins Handgepäck packen könnte, denn da hat er ja noch mal 8 kg frei. (Was sind als Fotograf schon 8 kg Handgepäck???) Wir waren auf jeden Fall froh, als wir endlich im Flieger saßen.
Unterwegs mit „leichtem“ Handgepäck
In Oslo holten wir unser Gepäck ab, und da man es erst am nächsten Tag wieder aufgeben konnte, mussten wir mit Sack und Pack durch den Flughafen und zum Bus, der uns in unser Hotel bringen sollte. Der Mann an der Hotelrezeption erklärte uns, dass das Hotel komplett ausgebucht sei, weshalb wir ein „Apartment“ bekämen. Da das für Selbstversorger ist, gab es dann auch kein Klopapier und keinen Schlüssel für das Zimmer, und wir durften die Betten selbst beziehen. Um 1 Uhr lagen wir schließlich ziemlich kaputt in den Betten und stellten alle verfügbaren Wecker, damit wir morgens nicht den Weiterflug verpassten. Nach einer kurzen Nacht ging es voll bepackt wieder in den Bus und zum Flughafen. Hier wollten wir den Self Check-in nutzen, aber es kam ständig die Meldung, dass das Gepäck zu schwer sei (obwohl wir inzwischen noch mehr ins Handgepäck gesteckt hatten!), so dass wir doch zum Schalter mussten. Auch hier ging Mathias alleine, und ich blieb beim Handgepäck. Da die Norweger jedoch etwas strenger sind, wollte die Schalterdame ein Gesicht zum zweiten Koffer sehen – aber nicht das Handgepäck 😉
Auch hier waren wir froh, als wir letztendlich im Flugzeug saßen. Als überzeugter Lufthansa-Flieger ist es schon etwas seltsam, wenn man nur Tee oder Kaffee kostenlos bekommt. Der sehr überschaubare Flughafen von Kirkenes, unserem Zielort, hat den Vorteil, dass man die Modalitäten des Mietwagens erledigen kann, während man auf sein Gepäck wartet. Als Abgabeuhrzeit hatten wir zwar 16 Uhr angegeben = Ende der Öffnungszeit, doch der Mann am Schalter meinte, wir könnten das Auto auch später bringen und dann den Schlüssel in das dafür vorgesehene Loch am Schalter werfen. Gute Idee, denn was sollten wir sonst stundenlang an diesem kleinen Flughafen machen, um uns die Zeit bis zu unserem Heimflug zu vertreiben?
SAS verpasste unserem Gepäck „Heavy“-Anhänger, obwohl die erlaubten 23 kg nur minimal überschritten wurden
Endlich angekommen
Nachdem wir alles im Auto verstaut hatten, ging es um den Varanger-Fjord herum weiter Richtung Norden. In Vadsø legten wir einen kurzen Zwischenstopp ein, um schon einmal ein paar Lebensmittel zu kaufen, und fuhren dann weiter nach Ekkerøy, einem Örtchen, in dem laut Wikipedia etwa 40 Menschen leben und das auf einer Habinsel liegt. Dort hatten wir das Vonheim House für die nächsten 2 Wochen gemietet. Als wir die Straße nach Ekkerøy hinein fuhren, sah ich auf der Terrasse eines Hauses einen Mann sitzen und meinte zu Mathias „Der sieht irgendwie aus wie Werner Bollmann“. Vor dem Haus stand auch ein Auto mit deutschem Nummernschild! Egal, erst mal mussten wir das Vonheim House finden, wo die Vermieter schon auf uns warteten.
Das Vonheim House (weiß) in Ekkerøy
Das Vonheim House ist ein für dort oben typisches Holzhaus. Im Erdgeschoss gibt es Bade-, Wohn- und Esszimmer/Küche sowie die Sauna, im Obergeschoss, das man über eine recht steile Treppe erreicht, befinden sich die beiden Schlafzimmer. Im Ferienhaus war alles, was man an alltäglichen Dingen benötigt, vorhanden: Klopapier, Gewürze, diverse Teesorten, Essig und Öl,… so dass man das schon mal nicht kaufen musste. Nachdem wir die nicht-fotografischen Dinge ins Haus gebracht hatten, schrieb ich Werner Bollmann an und fragte, ob er denn zufälligerweise in Varanger sei. Wenig später erhielt ich die Antwort, dass es sich tatsächlich um ihn handelte. Also fuhren wir zu ihm und erfuhren, dass er nicht alleine unterwegs war, sondern mit Winfried Wisniewski. Etwa sein dritter Satz war dann der Satz, den wir in so ziemlich jedem Urlaub hören: „So schlecht wie dieses Jahr war es noch nie!“ Und wenn dieser Satz aus dem Mund eines Naturfotografen kommt, der schon dutzende Male hier oben war, dann will das was heißen! Man kann sich vorstellen, dass wir nun etwas frustriert waren. Werner erzählte weiterhin, dass die Kampfläuferbalz, die normalerweise während der ersten beiden Juniwochen stattfindet, schon so gut wie beendet ist (wir hatten gerade mal den 4. Juni !) und an den Balzplätzen selbst so viele Störungen aufgetreten waren, dass sie sich andere gesucht hätten, die natürlich für Naturfotografen viel schlechter bzw. gar nicht zugänglich sind. Dadurch, dass in diesem Jahr der Schnee früher als sonst geschmolzen war und zusätzlich fast nur Westwind geherrscht hatte, waren die Vögel außerdem sehr schnell in ihren Brutgebieten und haben sich nicht lange an der schnee-/eisfreien Küste aufgehalten. Das waren ja tolle Aussichten. Da half auch das Bier, das wir von Werner bekamen und welches das einzige des Urlaubs war, nicht viel.
Obwohl es erst Anfang Juni war, war die Balz der Kampfläufer (Bildmitte) schon so gut wie vorbei, weshalb die Vögel mehr mit Fressen als mit der Balz beschäftgit waren. Zusätzlich hielten sie sich an fotografisch ungünstigen Plätzen auf.
Wir ließen uns aber erst einmal nicht entmutigen. Gut gelaunt sind wir Richtung Norden gefahren und haben ein paar Wege erkundet, die ins Landesinnere führten. Wir hatten sogar Mitternachtssonne (aber zu dem Zeitpunkt kein Motiv 😉 ) und gesehen haben wir auch schon mal einige Arten: Kampfläufer, Moorschneehuhn, Goldregenpfeifer, Regenbrachvogel, Steinschmätzer, Spornammer,… Gute Bilder kamen zwar noch nicht raus, aber es sah doch ganz vielversprechend aus. Um 5 Uhr sind wir schließlich hundemüde ins Bett gefallen. Immerhin hatten wir es geschafft, unseren Rhythmus innerhalb kürzester Zeit von Tag auf Nacht zu switchen.
Fotografieren auf der Varanger-Halbinsel
Die nächsten Tage werde ich mal zusammenfassen. Nachdem wir den ersten Tag schlaftechnisch durchgehalten hatten, haben wir diesen Rhythmus beibehalten und sozusagen die Nacht zum Tag gemacht. Das hat auch den Vorteil, dass man dann meistens alleine unterwegs ist. Wir haben von Nesseby im Süden bis Hamningberg im Norden alle Plätze und Wege aufgesucht, die im Buch „A Birdwatcher’s Guide to Norway“ beschrieben sind. Leider war es nicht so toll wie beschrieben. Es war oft so, dass wir die schlechten Wege auf und ab gefahren sind, und für längere Zeit keinen einzigen Vogel gesehen haben. War dann mal einer da, flog er weg, auch wenn wir noch weit entfernt waren. Zusätzlich war es eiskalt und windig, so dass das Herumfahren mit offenem Fenster kein Spaß war. Um uns den Frust etwas zu nehmen und den Auslösedrang zu befriedigen, buchten wir einen Vormittag im Varanger Birdpark. Dies ist ein Privatgelände, auf dem der Besitzer, Øyvind Zahl Arntzen, einen Hide für 4 Personen gebaut hat und diverse Singvögel anfüttert. Die Äste sind zwar nicht ganz optimal und auf den Bildern sieht man öfter mal einen Sonnenblumenkern im bzw. dessen Überreste am Schnabel, aber es war richtig befreiend, endlich mal wieder den Auslöser betätigen zu können. Als zusätzliches Schmankerl landete die Sperbereule, die dort in einem Kasten brütet, so, dass wir sie vom Hide aus fotografieren konnten. Last but not least spielte das Wetter mit -> es blieb fast den ganzen Vormittag bewölkt!
Die Äste sind arrangiert – jetzt kann es losgehen!
Am Ende der ersten Woche war meine Laune trotz des Birdpark-Ausflugs am Tiefpunkt und ich fragte mich, warum wir uns das antun (Frieren, Rhythmus ändern, stundenlang umherfahren), wenn ja eh so gut wie nichts dabei herumkommt. Werner und Winni waren inzwischen weitergezogen und hatten ihr Glück noch an anderen Orten der Varanger-Halbinsel versucht, doch auch dort gab es keinen Erfolg, so dass sie früher nach Hause fuhren als geplant. Und mal ehrlich: Hätte ich ein Auto gehabt, wäre auch ich ins warme Deutschland gefahren.
Auf dem kleinen Teich hinter der Kirche von Nesseby sollen laut Literatur immer Odinshühnchen herumschwimmen – nicht so bei unseren Besuchen
Nun ja, da diese Option nicht zur Debatte stand, mussten wir das Beste daraus machen. Und tatsächlich, es wurde besser. Den Grund hierfür kennen wir zwar nicht, aber obwohl wir mehr oder weniger nur noch einen Weg abfuhren, sah man nun öfter mal einen Vogel, der dann in manchen Fällen auch noch kooperativ war!
Sogar unsere Rundfahrt am wettertechnisch schlechtesten Tag der Reise war recht erfolgreich: In einem kleinen Dorf am Meer sahen wir einen ziemlich großen Vogeltrupp im Meer schwimmen. Wir stellten unser Auto so nah wie möglich an den Strand und schauten den Trupp mit dem Fernglas durch. Neben 3 Prachteiderenten (den einzigen des Urlaubs) sahen wir noch 2 Eisenten zwischen den Gänse- und Mittelsägern und Eiderenten. Plötzlich flogen die Eisenten direkt auf uns zu und landeten am Strand. Dort ließen sie sich nicht wirklich von uns stören und hielten ihren Mittagsschlaf im strömenden Regen.
Generell hatten wir für norwegische Verhältnisse wohl recht gutes Wetter – es hat nur einmal 24 h am Stück geregnet. Meistens haben sich Sonne und Wolken abgewechselt, nur zwischendurch gab es mal kürzere Schauer. Leider hat sich die Sonne eher tagsüber gezeigt und die Wolken überwogen nachts, was unser Erlebnis der „Mitternachtssonne“ etwas getrübt hat.
0.39 – Wo ist die Mitternachtssonne ?
Hornøya
Für die letzten beiden Tage unseres Urlaubs hatten wir 2 Nächte auf Hornøya, dem Vogelfelsen vor Vardø, gebucht. Die Insel ist ein bisschen mit Helgoland vergleichbar, außer dass sie nur 10 min Fährfahrt vom Festland entfernt und ein gutes Stück kleiner ist und ein paar Vögel mehr dort brüten 😉 Auf der Insel gibt es einen Leuchtturm mit einem zugehörigen Haus – das wars. Man muss also alles, was man für den täglichen Bedarf – inklusive Trinkwasser, denn auf der Insel gibt es keines – mitnehmen. Nachdem wir alles, was wir so brauchten, zusammen gepackt hatten, stellten wir fest, dass wir für die 2 Übernachtungen auf eine Reisetasche mit gut 30 kg kamen – die Fotorucksäcke und Stative kamen noch einmal extra. Ich hatte mir vorher schon überlegt, wie man denn vom Bootsanleger = Meeresniveau zum Leuchtturm = oben auf dem Felsen kommt. Meine bessere Hälfte meinte, dass das schon irgendwie gehen würde. So standen wir also kurz vor Urlaubsende bepackt wie die Esel am Bootsanleger von Hornøya und sahen den Weg: Einen schmalen unebenen Pfad, der an manchen Stellen durch den vergangenen Regen schön matschig = rutschig war. Was will man unter den Bedingungen mit einer Reisetasche mit Rollen???
Hornøya – „Aufstieg“ zum Leuchtturm: Besserer und schlechterer Teil des Weges
Am Bootsanleger steht eine Holzhütte, in der die Birder bei Wind und/oder Regen Schutz suchen können. Wir beschlossen, Fotorucksäcke und Stative dort zu lagern und erst einmal den Rest nach oben zu tragen. Mathias schulterte unsere Reisetasche, während ich mir 2 Tüten (Lebensmittel und geliehene Bettwäsche) schnappte. Nach einer gefühlten Ewigkeit und vielen Pausen kamen wir schließlich fix und fertig und einmal durchgeschwitzt am Leuchtturm an (es ist übrigens etwa 1 km vom Anleger zum Leuchtturm). Nun mussten wir erst einmal mit einem Großteil unseres Wasservorrates den Wasserverlust ausgleichen. Als ich ins Bad ging, kam die nächste Überraschung: An der Tür hing ein Schild, auf dem die Gäste darum gebeten wurden, aufgrund der Wasserknappheit nicht zu duschen. Was ein Spaß!
In der Küche aßen gerade 4 Biologen zu Mittag und hatten uns netterweise ein Fach im Kühlschrank leer geräumt. Wir kamen ins Gespräch und erfuhren, dass sie ein eigenes Boot haben, mit dem sie in die Stadt fahren können, um dort im Hotel zu duschen. Da jedoch der Kran, der das Boot ins Wasser hievt, gerade kaputt ist, sind sie auch schon länger nicht mehr in der Stadt gewesen, weshalb sie nun nach eigener Aussage dreckiger wären als sonst. Es gibt zwar einen Wassertank auf der Insel, dieser wird aber nur einmal im Jahr aufgefüllt. In den vergangenen Jahren war der Wassertank bisher nur einmal komplett leer gewesen. Allerdings kommt spontan niemand, um ihn aufzufüllen! Da wir nicht daran schuld sein wollten, dass die Biologen zum Schluss nicht mehr die Klospülung betätigen können bzw. kein Nudelwasser mehr haben, haben wir tatsächlich auf das Duschen verzichtet. Allerdings war nach 2 Tagen unser Wasservorrat leer, weshalb wir uns etwas Wasser abgekocht haben – der Liter wird hoffentlich nicht der entscheidende gewesen sein.
Am Ende des ersten Tages blieb uns ja nichts anderes übrig, als wieder zurück zu unseren Fotosachen zu gehen. Wir hatten schon überlegt, ob wir diese über Nacht in dem Unterstand lassen sollten (schließlich kommt ja, nachdem das letzte Boot gefahren ist, keiner mehr auf die Insel), aber das war uns dann doch nicht ganz geheuer. Bei den Fotosachen angekommen, verzogen wir uns ins hinterste Eck der Hütte, da es recht windig und kalt war. Weil es zusätzlich noch sehr bedeckt und damit ziemlich dunkel war, konnten wir uns nicht mehr motivieren, die Fotosachen auszupacken, sondern begaben uns auf den langen und beschwerlichen Aufstieg zurück zum Leuchtturm, wo wir irgendwann wieder komplett durchgeschwitzt ankamen. In der Nacht riss mich Mathias aus dem Tiefschlaf und meinte, dass das Wetter ganz gut sei. Also machten wir uns fertig und gingen wieder Richtung Bootsanleger. Zur Brutzeit darf man übrigens den Weg Bootsanleger – Leuchtturm nicht verlassen, was einem die Entscheidung „Wo gehe ich heute hin?“ recht einfach macht. Wir stellten uns etwa auf der halben Inselhöhe hin und da ein recht strammer Nordwind = Gegenwind blies, flogen alle Vögel relativ langsam an uns vorbei. Wer schon einmal Lummen, Alke und Papageitaucher hat fliegen sehen, kann sich vorstellen, dass „langsam“ für diese Vögel noch immer sehr schnell ist! Es muss irgendwie auch an dem Nordwind gelegen haben, dass wir ordentlich mit Guano gedüngt wurden (ist biologisch zwar nicht ganz korrekt, klingt aber gut 😉 ). Leider kamen wir erst etwas später auf die Idee, zumindest die Rucksäcke mit der Regenschutzhülle abzudecken, so dass die weiße Besprenkelung nun unser Erkennungszeichen ist.
Hornøya – Kleidung und Ausrüstung wurden mit Guano gedüngt
Für den Abreisetag hatten wir uns gedacht, die Fähre um 15 Uhr zu nehmen und gemütlich zum Flughafen zu fahren. Aber es kommt ja immer anders als man denkt. Für den letzten Tag sagte die Wettervorhersage Regen voraus, weshalb wir uns keinen Wecker gestellt hatten. Ich bin trotzdem so um 3 aufgewacht und ein Blick aus dem Fenster zeigte kein so schlechtes Wetter, zumindest war von Regen keine Spur. Meine bessere Hälfte interessierte diese Info allerdings nicht, weshalb ich versuchte, noch etwas zu schlafen. Eine Stunde später schaute ich wieder aus dem Fenster: Sonne!!! Diesmal gab es kein Erbarmen. Schnell packten wir alle Sachen, ließen die restlichen Lebensmittel vor Ort (viel war es nicht 😉 ) und machten uns auf den Weg. Zum Glück war es bergab etwas einfacher, alles auf einmal zu tragen, außerdem legten wir auf halbem Weg einen Stopp ein, um wieder fliegende Seevögel zu fotografieren. Da so gut wie kein Wind ging, schossen die Vögel kreuz und quer wie Torpedos durch die Luft. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Lichtverhältnisse alle paar Minuten von Sonne zu keine Sonne änderten, und wir deshalb ständig die Belichtung überprüfen bzw. korrigieren mussten. Aber immerhin gab es an diesem Tag keine „Beregnung“. Natürlich ärgerten wir uns jetzt, dass wir nicht doch früher aufgestanden waren.
Die Heimreise
Auf der Festlandseite sahen wir Regenwolken entlang ziehen, die sich langsam, aber sicher auf die Insel zu bewegten. Wir beschlossen, die erste Fähre um 9 zu nehmen, um dem potentiellen Regen zu entgehen. Wie schon auf dem ersten Teilstück schulterte ich die beiden Stative, damit Mathias die Reisetasche tragen konnte. An einer besonders glitschigen und steilen Stelle kam ich ins Rutschen und um nicht auf dem Hosenboden zu landen, ruderte ich mit den Armen, wobei Mathias‘ Stativ kopfüber nach unten sauste. Wie Murphy es so wollte, war der Kopf mit der Seite, auf der sich die Feststellschrauben befinden, im Matsch gelandet, und dieser hatte sich so richtig schön in die Gewinde und Öffnungen gedrückt. Das hatte sich gelohnt! Wir entfernten grob den schlimmsten Dreck, aber für eine ordentliche Reinigung sollte erst daheim Zeit sein. Später beim Aussteigen aus der Fähre wäre mir dann beinahe noch Mathias‘ Stativ ins Meer gefallen, da man sich mit ordentlich Schwung und beiden Armen an der Leiter ein Stück nach oben ziehen musste. Letztendlich war jedoch alles – inklusive uns selbst – vollständig, aber dreckig im Auto verstaut. Kaum im Auto fing es auch schon an zu regnen – wir hatten also alles richtig gemacht.
Nun stellte sich allerdings die Frage, was wir die gut 10 Stunden bis zum Abflug machen sollten. Ich schlug vor, im Birdpark zu fragen, ob der Hide frei ist. Bewölkung ist dafür ja optimal, und so könnten wir noch einmal dem Auslösetrieb freien Lauf lassen. Gesagt – getan und tatsächlich war der Hide verfügbar. So um 12 saßen wir schließlich an Ort und Stelle. Allerdings war viel weniger los als beim ersten Mal, was aufgrund der Uhrzeit und des regnerischen, teils stürmischen Wetters jedoch zu erwarten war. Wir hatten gerade beschlossen, früher zu gehen, und wollten Øyvind Bescheid geben, als dieser auch schon den Hide betrat und wissen wollte, ob wir die Sperbereule draußen im Baum gesehen hätten. Nein, hatten wir nicht. Also schnappten wir uns die Kameras und gingen nach draußen, um sie zu fotografieren. Anschließend verbrachten wir doch noch etwas Zeit im Hide und unterhielten uns mit Øyvind. Langsam wurde es dann aber doch Zeit, die Fahrt zum Flughafen anzutreten. Øyvind ging schon mal vor, während wir unser Zeug zusammen räumten und ins Auto brachten. Beim Bezahlen fragte Øyvind, ob wir Lust hätten, noch kurz nach den Sperbereulen-Ästlingen zu schauen. Er wüsste in etwa, wo sich einer aufhält. Da musste er uns nicht zweimal bitten. Wir entdeckten dann auch tatsächlich ein Junges, allerdings fotografierten wir aus einiger Entfernung, um keine Angriffe durch die Eltern zu provozieren. Schließlich entdeckten wir auch noch ein 2. Junges, das etwas höher am Hang in einem Baum saß. Nun wurde es aber wirklich Zeit, Richtung Flughafen aufzubrechen.
Ästling der Sperbereule
Wie zu erwarten, machte sich der Schlafmangel auf der etwa 3-stündigen Fahrt bemerkbar, und wir waren froh, als der Flughafen endlich vor uns lag. Nun hieß es „nur“ noch, alles ordentlich in die Taschen und Rucksäcke zu packen, so dass zumindest die Reisetaschen die vorgeschriebenen 23-24 kg aufwiesen. Für das Einchecken ließen wir die Rucksäcke im Auto – eine Taktik, die sich inzwischen sehr bewährt hat. Zurück am Auto warteten wir darauf, dass mehr Passagiere eintrafen, damit die Dame am Schalter abgelenkt ist und nicht sieht, dass wir schwer bepackt Richtung Sicherheitskontrolle laufen. Endlich war es so weit. Den Autoschlüssel warfen wir am Tresen von Budget in die dafür vorgesehene Öffnung und kamen unbehelligt durch die Sicherheitskontrolle. Völlig erschöpft warteten wir auf den Check-In. Kaum waren wir an Bord, bin ich auch schon eingeschlafen und erst wieder bei der Landung aufgewacht. Dann hieß es wieder: Gepäck holen, in den Bus steigen, im Hotel einchecken und Betten beziehen. Ziemlich erschossen fielen wir um Mitternacht ins Bett. Am nächsten Morgen war es dann endlich soweit: Die erste Dusche seit Hornøya – herrlich 🙂
Wir wollten bereits am Vortag für den Weiterflug nach Frankfurt einchecken und hatten uns gewundert, dass nur die Reihen 1-5 (= Business Class) zur Auswahl standen, weshalb wir den Vorgang abbrachen. Auch am Flughafen standen jetzt nur die Reihen 1-5 zur Auswahl. Ah, super – die müssen uns wohl upgegraded haben! Während wir für die Gepäckaufgabe anstanden (es gab ein technisches Problem, weshalb alles ewig dauerte), bemerkte Mathias, dass sein Geldbeutel verschwunden war. Auch nach einer intensiven Suche tauchte er nicht auf, und es blieb nur zu hoffen, dass keiner den Personalausweis sehen wollte. Zum Glück konnten wir tatsächlich einchecken, ohne diesen vorzuzeigen. Im Zubringerbus hatten wir mitbekommen, wie sich 2 Anzugträger über das Fliegen unterhielten. Der eine hatte den anderen doch tatsächlich gefragt, ob dieser denn ein eigenes Flugzeug besäße. Diese 2 saßen natürlich auch in der Business Class und sahen ziemlich pikiert aus, als wir ebenfalls dort Platz nahmen. Uns war das herzlich egal. Wir freuten uns über das leckere Frühstück und gönnten uns zur Feier des Tages/der Business Class einen Sekt-Orange. Immerhin der erste Alkohol seit dem Bier bei Werner Bollmann! Wir waren übrigens nicht upgegraded worden, sondern hatten tatsächlich Business Class gebucht, ohne dass es uns aufgefallen war 😉
Der weitere Flug verlief ohne besondere Ereignisse und wir waren froh, einige Stunden später wieder in unserer Wohnung zu sein. Der Urlaub hat uns insgesamt ziemlich angestrengt, weshalb wir die ganze folgende Woche so gut wie keine Zeit vor dem Rechner verbrachten (zumindest privat) und nach dem Arbeiten nur regungslos auf der Couch lagen. Sowas habe ich echt noch nicht erlebt!
Da nach dem Urlaub ja bekanntlich vor dem Urlaub ist, waren meine Vorgaben für den nächsten Urlaub klar: Es sollte auf jeden Fall warm sein, und nicht in dem Buch „Vögel beobachten in Europa“ vorkommen, da die letzten beiden Urlaub (Falsterbo und nun Varanger) nicht das gehalten hatten, was dort angepriesen wurde. Inzwischen haben wir den nächsten Urlaub gebucht, und zumindest das erste Kriterium ist erfüllt 😉
Links
Vonheim House – Ferienhaus in Ekkerøy
Varanger Birdpark – Hide für Singvögel in Vestre Jakobselv
Vögel beobachten in Europa: Die besten Plätze vom Mittelmeer bis zum Nordkap
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