Florida 2007

von Christine Jung

Als es Ende Oktober hieß, dass ich meinen Resturlaub noch im gleichen Jahr nehmen sollte, standen Mathias und ich vor demselben Problem wie schon im Februar: Wo soll man um diese Jahreszeit Urlaub, besser gesagt Fotourlaub, machen? Nach einigem Hin und Her kamen wir auf die gleiche Lösung wie im Frühjahr: Florida. Der günstige Flug und der derzeitige Dollarkurs waren unschlagbare Argumente; außerdem hätte ich dann auch genug Gelegenheit, mein neues Objektiv auszuprobieren.
Die nächsten Tage saßen wir abends vor dem Computer, durchstöberten amerikanische Fotoforen und schrieben amerikanische Fotografen an, um zu erfahren, wo man im Dezember gut fotografieren kann, und um vielleicht den einen oder anderen Insidertipp zu erhalten. Bald stand fest, dass wir diesmal die Everglades außen vor lassen und stattdessen an die Ostküste nach Merritt Island fahren würden. Unter Einbeziehung der Gezeiten, die für De Soto (St. Petersburg) und die Estero Lagune (Ft. Myers Beach), eine essentielle Rolle spielen, sah unsere Route folgendermaßen aus: St. Petersburg – Venice – Ft. Myers Beach – Kissimmee – Titusville. Um uns die nervige Motelsuche vor Ort zu ersparen, buchten wir diesmal alles von zuhause aus und stellten erfreut fest, dass Anfang Dezember noch Vorsaison ist.
Ohne besondere Vorkommnisse kamen wir wohlbehalten am ersten Dezember am Flughafen in Tampa an. Bei der Autovermietung dann die erste Überraschung – Gott sei Dank eine positive: Auf dem Parkplatz konnte man sich irgendein Auto, das der gebuchten Klasse entspricht, aussuchen; und in unserer Klasse stand neben all den „normalen“ Autos ein Jeep. Den musste Mathias haben. Nachdem das Gepäck verstaut war, ging es über die Old Tampa Bay rüber nach St. Petersburg ins Motel.

 

Hinweis
Im Reisebericht „Florida – Frühjahr 2007“ wurden die Hotspots in St. Petersburg, Ft. Myers und Venice bereits ausführlich beschrieben, weshalb in diesem Reisebericht vor allem auf die neuen Fotoplätze eingegangen wird.

 

St. Petersburg
Die nächsten vier Tage verbrachten wir morgens und abends immer in De Soto. Das Wetter war perfekt (nach Aussage der Einheimischen zu heiß für die Jahreszeit) und auch die Vögel waren recht kooperativ. Diesmal sahen (und fotografierten) wir auch die weiße Morphe des Rötelreihers, die wir im Frühjahr nicht zu Gesicht bekommen hatten. Ansonsten gab es die üblichen Verdächtigen: Alle möglichen Limikolen, Reiher und Pelikane.

 

 

Venice
Die folgenden zwei Tage verbrachten wir in Venice. Die weltberühmte Rookery war ja schon im Frühjahr nicht so ergiebig wie erwartet, aber jetzt im Dezember war sie wie ausgestorben. Etwa 5 Kanadareiherpärchen standen bei ihren Nestern, aber von den anderen Reiherarten oder den Sichlern keine Spur. Deshalb fuhren wir immer zur Landfill. Leider wurde gerade an einer Stelle des Müllbergs gearbeitet, die im Inneren lag, so dass die Geier nicht über die Straße flogen. Dafür gab es kooperative Louisianawürger, Kanadakraniche und andere Singvögel.

 

 

Ft. Myers Beach
Für unseren nächsten Stopp in Ft. Myers Beach hatten wir fünf Tage eingeplant, da hier viele unterschiedliche Fotogebiete liegen wie z.B. die Estero Lagune in Ft. Myers Beach, Bowmans Beach und Ding Darling auf Sanibel sowie der Corkscrew Swamp. Im Endeffekt waren wir aber fast nur an der Lagune. Ding Darling war, als wir durchfuhren, völlig ausgestorben und Bowmans Beach hatte sich ziemlich verändert, denn vom „Beach“ war nicht mehr viel übrig: Das Meer hatte ganze Arbeit geleistet und einen Großteil des Strandes weggespült, wodurch die Vögel keine vernünftige Sitzgelegenheit mehr hatten.

 

 

An der Estero Lagune hatten wir – insbesondere ich – neben den uns schon bekannten „Problemen“ (z.B. abends hässliche Hotelspiegelungen im Wasser) mit einem neuen zu kämpfen: Sandfliegen, winzigen blutsaugenden Fliegen. Ich hatte ungelogen alleine an einem Unterschenkel 40 Stiche. Und da ich wohl allergisch darauf reagiert habe, sind diese auch noch angeschwollen und haben wie wild gejuckt. Da hat auch die Cortisoncreme nichts mehr geholfen. Auch langärmlige Kleidung war nutzlos, da die Fliegen sich dann auf Hände und Hals gestürzt haben. Abgesehen davon war die Lagune ziemlich ergiebig. Vor allem von jagenden Schmuckreihern konnten wir unglaublich viele Bilder machen ebenso wie von einem Krabbenreiher, der immer abends an der gleichen Stelle gejagt und sich überhaupt nicht an Menschen gestört hat. Rosalöffler haben wir leider nur einmal in der Lagune gehabt und sie sind bei Sonnenaufgang weg geflogen. Im Nachhinein hätte hier trotzdem ein Tag weniger gereicht, da wir dann einen Tag mehr bei unserer nächsten Station, Kissimmee, gehabt hätten.

 

 

Kissimmee
Kissimmee liegt ein Stück unter Orlando und hier hatten wir 2 Tage eingeplant. Der fotografische Hotspot ist die Canoe Creek Road, eine dirt road, an der rechts und links Zäune verlaufen. Auf den Pfosten sollte man bis hin zum Caracara alle möglichen Vögel fotografieren können. Die Straße endet am Lake Kissimmee, der Heimat von Schneckenweih und Schreikranich, den beiden seltensten Vogelarten Floridas.

 

 

Es gibt noch eine weitere Straße, die am See endet, die Lake Cypress Road. Hier wurden wir aus fotografischer Sicht zwar nicht fündig; was das leibliche Wohl anbelangt aber schon. Denn am See liegt ein Laden, indem man Souvenirs kaufen und auch frühstücken kann -> es geht doch nichts über ein deftiges Frühstück mit Beans und Bacon. Dies ist auch die einzige Möglichkeit, etwas zu essen zu bekommen, falls man sich nichts mitgenommen hat.
Bei unserem ersten Besuch am See am Ende der Canoe Creek Road trafen wir zwei Fotografen und es stellte sich heraus, dass einer davon Jim Neiger war, von dem wir grandiose Schneckenweihbilder im Internet gesehen haben. Er hat extra ein Boot so umgerüstet, dass es sehr leise ist, und er damit nah an die Schneckenweihen herankommt. Mit einem Airboat würde man seiner Ansicht nach die Vögel nur verscheuchen – wir wurden eines Besseren belehrt, aber dazu später mehr.
Am nächsten Morgen haben wir am See eine weibliche Schneckenweih gesehen, die immer wieder auf demselben Pfosten im Wasser gelandet ist. Leider war dieser etwas weit weg und wir haben schon darüber nachgedacht, uns mit dem Stativ ins Wasser vor den Pfosten zu stellen. Allerdings waren wir uns nicht sicher, ob das eine so gute Idee wäre, da in dem See Alligatoren leben. Neben der Schneckenweih waren auf den Wiesen und Rinderkoppeln am See Kanadakraniche und sogar Schreikraniche zu sehen und zu fotografieren.
Beim Auf- und Abfahren der Canoe Creek Road konnten wir jede Menge Lerchenstärlinge fotografieren und auch einen Caracara haben wir erwischt. Im Frühjahr soll man hier auch Virginiawachteln auf den Pfosten ablichten können.

 

 

An diesem Tag haben wir noch einen weiteren Fotografen getroffen, der uns erzählte, dass wir unbedingt mit Captain Rob, dem Airboat-Anbieter am Ende der Canoe Creek Road, eine Fahrt raus auf den See machen müssten. Mit dem Boot würde man ganz nah an die Schneckenweihen und auch an Eisvögel rankommen. Also machten wir für den nächsten Tag – unserem letzten in Kissimmee – eine Fahrt mit Captain Rob aus. Leider wollte dann das Wetter nicht so wie wir: Es war so neblig, dass sich eine Fahrt nicht gelohnt hätte, und als der Nebel sich endlich gelichtet hatte, war das Licht schon zu schlecht. Aber aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben und so machten wir einen neuen Termin für unseren letzten Tag in Florida aus.

 

 

Ein anderes Schauspiel, das man sich unbedingt ansehen muss, ist der morgendliche und abendliche An- und Abflug der Kanadakraniche. Diese schlafen auf einer schilfbestandenen Wiese am Ende der Canoe Creek Road. Allerdings muss zum Fotografieren der Wind richtig stehen: Er darf aus allen Richtungen kommen, bloß nicht vom See. Dummerweise haben wir erst an unserem zweiten Tag diesen An- bzw. Abflug entdeckt und hatten so aufgrund des Nebels keine Möglichkeit, dieses Spektakel vernünftig zu fotografieren.
Viel zu schnell mussten wir die Canoe Creek Road verlassen, um zu unserem letzten Ziel, Titusville, zu gelangen.

 

Titusville
Auch hier hatten wir nur 2 Tage zur Verfügung. Morgens fuhren wir in die Viera Wetlands, eine Wasseraufbereitungsanlage, die aus verschiedenen Wasserflächen besteht. Dazwischen verlaufen auf einer Art Damm Straßen (alles Einbahnstraßen), die für die Öffentlichkeit zugänglich sind.
Hier herrschte ein reger Betrieb an Reihern, Sichlern, Ohrenscharben und Enten. Caracaras und Weißkopfseeadler flogen durch die Luft, außerdem sahen wir unseren ersten und einzigen Rallenkranich und auch eine Rohrdommel haben wir entdeckt. Leider war es recht bewölkt. Generell ist das Fotografieren in den Wetlands etwas schwierig, da die Straßen aufgrund des Damms ein Stück oberhalb des Wassers verlaufen und man deshalb – zumindest vom Auto aus – eine schlechte Perspektive auf die Wasserfläche hat. Aber man kann auch aus dem Auto aussteigen und sich so hinlegen, dass man auf Augenhöhe mit den Vögeln ist. Das ist zwar sehr unbequem und man muss auch etwas warten, bis die Vögel wieder vor einem rumschwimmen, aber die Bilder sind es wert.

 

 

Am Abend sind wir dann den Blackpoint Wildlife Drive auf Merritt Island entlang gefahren. Dabei haben wir einen Kanadareiher entdeckt, der versuchte, eine Schlange zu fressen. Da sich diese ordentlich gewehrt hat, hat das Ganze ziemlich lang gedauert und wir haben sehr viele Bilder geschossen. Ansonsten war das Gebiet eher enttäuschend, aber von einmal Durchfahren kann man das natürlich nicht verallgemeinern.

 

 

Am nächsten Morgen war das Wetter fürchterlich: Es hat gestürmt und geregnet. Als wir den Fernseher anmachten, erfuhren wir, dass es eine Tornadowarnung gab. Der Sturm bewegte sich von Orlando aus ostwärts – in unsere Richtung. Gespannt verfolgten wir die Meldungen und stellten erleichtert fest, dass sich der potentielle Tornado etwas nach Norden drehte und im Endeffekt etwa 50 km nördlich von uns tobte. Außerdem hat sich der Sturm nicht zum Tornado entwickelt. Anschließend klarte der Himmel recht schnell auf und wir fuhren nach Viera. Der Sturm hatte viele Wasserpflanzen losgerissen, die nun teilweise hässlich ins Bild ragten, aber ändern konnten wir es nun mal nicht. Auch den Abend verbrachten wir in Viera und konnten insgesamt recht schöne Bilder von Amerikanischen Blässhühnern, Teichhühnern, Kappensägern, Blauflügelenten, Ohrenscharben etc. machen.

 

 

Zurück am Lake Kissimmee
An unserem Abflugtag mussten wir sehr früh aufstehen, da noch eine 2-stündige Fahrt zu Captain Rob am Lake Kissimmee vor uns lag. Dort aus dem Auto gestiegen, stellten wir fest, dass es sich unheimlich abgekühlt hatte. Trotz aller Pullover und Jacken, die wir dabei hatten, haben wir gefroren wie die Schneider. Der Abflug der Kraniche fiel aufgrund des Windes vom See her weg (die Vögel flogen direkt ins Licht) und so warteten wir gespannt auf unsere Fahrt mit dem Airboat. Wir wurden nicht enttäuscht: Captain Rob manövrierte das Boot so nah an die Schneckenweihen, dass man auch mit dem 100-400 formatfüllende Aufnahmen machen konnte und selbst den Eisvogel konnten wir ganz gut ablichten.

 

 

Vor unserer Airboat-Fahrt hatten wir lange überlegt, welche Objektive wir mit aufs Boot nehmen sollten. Ich habe mich für das 100-400 entschieden, da ich das 500er ohne Stativ sicher nicht lange ruhig auf dem wackeligen Boot halten könnte. Allerdings wackelte das Boot so gut wie gar nicht und man hätte somit wunderbar das Stativ und damit das 500er verwenden können.
Nach gut zwei Stunden fuhren wir mit Vollgas über den See zurück zum Anleger. Da es so kalt war, waren danach unsere Beine fast taub vor Kälte und wir haben uns in Captain Robs „Wintergarten“ mit einem heißen Kaffee aufgewärmt. Anschließend mussten wir uns etwas beeilen, da wir noch eine längere Fahrt nach Tampa an den Flughafen vor uns hatten.
Rückfahrt und –flug verliefen problemlos, so dass wir nach 2 ½ Wochen in Floridas Sonne wohlbehalten im kalten Deutschland gelandet sind.

 

 

Fazit
Florida ist immer eine Reise wert und jedes Mal erwartet einen dort etwas Anderes. Falls wir irgendwann wieder rüberfliegen sollten – und das werden wir sicher – werden wir auf jeden Fall mehr Zeit für die Viera Wetlands und die Canoe Creek Road einplanen, da wir inzwischen genug Reiher an der Küste fotografiert haben.

 

Links
Captain Rob am Lake Kissimmee
Jim Neigers Bilder bei flickr
Naturescapes: Amerikanisches Fotoforum
Viera Wetlands
Merritt Island
Blackpoint Wildlife Drive
Dolphin Inn: Ein sehr schönes Motel in Ft. Myers Beach (Bayview Unit buchen)